Europa, zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts: Das Industriezeitalter ist in vollem Gange. Die Kraftmaschinen, die es am Laufen halten, werden überwiegend mit Wasserdampf betrieben. Da diese aber nur einen geringen Wirkungsgrad (ca. 10 %) aufweisen, tüfteln viele Erfinder – so z.B. Jean J.E. Lenoir, Nikolaus Otto, Carl Benz, Gottlieb Daimler und Wilhelm Maybach – an Motoren mit Alternativen zur Dampfkraft. Im Jahr 1892 betritt ein weiterer genialer Ingenieur die Bühne der Motorenpioniere: Rudolf Diesel meldet das Konzept seiner „neuen, rationellen Wärmekraftmaschine“ zum Patent an, das am 23. Februar 1893, also genau vor 130 Jahren, als Deutsches Reichspatent DRP 67 207 erteilt wurde …
Technikbegeistert von klein auf
Rudolf Christian Karl Diesel wurde am 18. März 1858 in Paris geboren, wohin sein Vater, ein Lederwarenfabrikant, ausgewandert war. Schon früh zeigte sich seine Leidenschaft für Technik: Im Pariser Technikmuseum „Conservatoire des Arts et Métiers“ machte es ihm z.B. schon als 11-Jähriger einen Riesenspaß, Maschinen abzuzeichnen. Als die Familie beim Ausbruch des deutsch-französischen Krieges Frankreich verlassen musste, ging er zunächst mit seinen Eltern nach London. Doch die Not war dort groß. Noch im selben Jahr, 1870, erklärte Diesels Onkel in Augsburg sich bereit, den Neffen aufzunehmen. Der 12-jährige reiste alleine nach Augsburg und ging dort auf die Königliche Kreis-Gewerbeschule, an der sein Onkel Professor war, danach auf die Industrieschule. An beiden Schulen schloss er als Bester ab. 1875 schrieb er sich an der Polytechnischen Schule in München ein, heute die Technische Universität München. Sein Studienfach: Maschinenbau.
Feuer und Flamme
Mit Stipendien und Unterrichten hielt der junge Student sich in München über Wasser. Einer seiner Professoren war Carl von Linde, der Erfinder der Kältemaschine. In dessen Vorlesung zum Thema Thermodynamik kam der außerordentlich schlechte Wirkungsgrad der Dampfmaschine zur Sprache – und die Gedanken des französischen Physikers Nicolas Léonard Sadi Carnot, der 1824 die Theorie eines idealen thermodynamischen Kreisprozesses entwickelt hatte. Diesel war fasziniert von dieser Idee und setzte sich als Ziel, eine Wärmekraftmaschine mit höchstmöglichem Wirkungsgrad zu entwickeln. Sein Studium beendete er mit dem besten Zeugnis, das bislang jemals ein Student an dieser Hochschule erhalten hatte.
Kälte und Eis
Danach standen allerdings erst einmal Kälte und Eis auf dem Programm: Carl von Linde holte den einstigen Schüler in seine Eismaschinenfabrik. Diesel arbeitete schon bald als Direktor der Tochterfirma in Paris und ab 1890 als Leiter des technischen Büros in Berlin. Die Pläne für einen neuartigen Motor mit hohem thermischem Wirkungsgrad hatten ihn aber nicht losgelassen: Neben der Arbeit für Linde entwickelte Diesel – anders als die meist mit praktischen Versuchen agierenden anderen Motorpioniere – ein theoretisches Konzept einer „neuen, rationellen Wärmekraftmaschine“, das er 1892 zum Patent anmeldete. Am 23. Februar 1893 wurde das Patent als Deutsches Reichspatent DRP 67 207 mit dem Titel „Arbeitsverfahren und Ausführungsart für Verbrennungsmaschinen“ erteilt. Im selben Jahr reichte Diesel noch einen zweiten Patentantrag mit weiteren Verbesserungen ein (DRP 82 168).
Der neue Dieselmotor – ein Selbstzünder
Der „Clou“ an Diesels Idee: Die Ansaugluft im Motor wird stark komprimiert und dann der Kraftstoff eingespritzt. Dieses Gemisch entzündet sich selbständig durch die hohe Temperatur, die bei der Verdichtung entstanden ist. Von 1893 an entwickelte Diesel bei der Maschinenfabrik Augsburg (später MAN) einen Prototyp – schon nach wenigen Monaten funktionierte die erste Versuchsmaschine. Doch bis zu einem serienreifen Motor sollte es noch vier Jahre voller intensiver Entwicklungsarbeit dauern. Dessen Wirkungsgrad – 26,2 % – erwies sich als sehr gut. 1898 entstand die Dieselmotorenfabrik Augsburg. Auf der Weltausstellung 1900 in Paris wurde der Dieselmotor mit dem Grand Prix ausgezeichnet. Immer mehr jedoch litt Diesels Gesundheit: Finanzielle und technische Probleme, Anfeindungen sowie Patentstreitigkeiten setzten den genialen Erfinder unter Druck.
Tod im Ärmelkanal
Am 29. September 1913 bestieg Diesel den Dampfer "Dresden", um von Antwerpen nach Harwich überzusetzen. Als das Schiff in England ankam, fehlte von dem Erfinder jede Spur. Zwei Wochen später entdeckten niederländische Seeleute eine Leiche im Meer. Sie entnahmen aus deren Kleidung ein paar persönliche Gegenstände und ließen den stark verwesten Körper im Wasser. Diesels Sohn Eugen identifizierte die Gegenstände als Eigentum seines Vaters. Viele vermuten, dass Rudolf Diesel Selbstmord begangen hat, doch wie er wirklich ums Leben kam, bleibt nach wie vor ein Geheimnis.
Weltweiter Erfolg
Der Dieselmotor lebte weiter, erfuhr weltweit in immer mehr Anwendungsfeldern eine immer weitere Verbreitung und wurde durch zahlreiche Innovationen in seiner Effizienz sowie durch moderne Abgasnachbehandlungssysteme weiterentwickelt.
Zu sehen im Museum:
In den Technik Museen Sinsheim Speyer stehen viele Exponate, die von der Geschichte des Dieselmotors erzählen. Hier vier herausragende Beispiele:
Im Technik Museum Speyer ist ein prachtvoller Seenotrettungskreuzer zu besichtigen: Die JOHN T. ESSBERGER wurde 1975 gebaut. Ihre drei Maschinen leisten zusammen 7200 PS und beschleunigten das Schiff beim Einsatz auf 26 Knoten (ca. 48 km/h) Geschwindigkeit. Exklusive Führungen finden am Samstag, 21. Oktober 2023 zwischen 10 Uhr und 17 Uhr statt. Ein Tipp für alle, die die Motoren in voller Aktion erleben wollen: Am BRAZZELTAG am 13. und 14. Mai 2023 werden sie angeworfen!
Ein eindrucksvoller MAN U-Boot Motor mit einer spannenden Geschichte ist im Technik Museum Sinsheim zu sehen: Der Schiffsdieselmotor ging zunächst 1917 an die österreichische Marine in eine Werft nach Triest und wurde in das österreichische U-Boot Nr.18 eingebaut. Dieses wurde 1918 abgewrackt. Nach einem Einsatz als Kraftwerk in einer Silbermine in Bolivien landete der Motor 1981 bei einem italienischen Schrotthändler. Ein Sammler kaufte ihn dort, und nach einem abenteuerlichen Transport über den Brennerpass fand er den Weg nach Sinsheim.
Eine Planierraupe mit Dieselantrieb ist die Caterpillar Cat D9 im Technik Museum Sinsheim: Das 1956 gebaute, gigantische Fahrzeug hat ein Gewicht von 25 Tonnen, angetrieben wird es von einem Cat D353 Turbodieselmotor (6-Zylinder-Turbodiesel mit 24 Litern Hubraum und einer Leistung von 286 PS).
Der Hanomag RD 36 begründete bei Hanomag die Ära der Dieselmotoren. Es gab davon eine Acker- und eine Straßenversion, beide hatten ein Getriebe mit drei Vorwärtsgängen und einem Rückwärtsgang. Der in Sinsheim ausgestellte Traktor mit dem Vierzylindermotor wurde 1931 gebaut, verfügt über 36 PS und fuhr bis zum Jahr 1993 beim Zirkus Sarasani.
Heidi Debschütz
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