Das Traumpaar der Automobilgeschichte: Carl und Bertha Benz

Sie waren beherzte Pioniere und schrieben Automobilgeschichte im großen Stil: Carl Benz und seine Ehefrau Bertha feiern in diesem Jahr ihren 180. und 175. Geburtstag. Als der geniale junge Ingenieur und die Tochter eines Zimmermeisters sich im Jahre 1869 verliebten, ahnte noch niemand, dass aus ihrem gemeinsamen Traum eines Wagens ohne Pferde einmal ein weltweit bedeutender Meilenstein in der Technikgeschichte werden sollte …

Pforzheim, 1869: Der 1844 geborene Carl Benz hat in der badischen Stadt eine Stelle als Mechaniker bei der Firma Benckiser, die auf den Bau von Eisenbahnbrücken spezialisiert ist, angetreten. Bei einem Vereinsausflug lernt er die junge Bertha Ringer, Tochter eines angesehenen Pforzheimer Zimmermeisters, näher kennen. Der gutaussehende, technikbegeisterte junge Mann und die aufgeschlossene, wache 20-Jährige verlieben sich schnell ineinander. Carl erzählt von seiner leidenschaftlichen Vision: Er will einen selbstfahrenden Wagen erfinden und diesen auf die Straße bringen. Als die beiden 1872 heiraten, ist Carl Benz bereits Unternehmer und kann mit Hilfe von Berthas im Voraus ausbezahlter Mitgift seinen Compagnon auszahlen. Der junge Ingenieur und seine engagierte Partnerin haben für die Karl Benz Eisengießerei und mechanische Werkstätte in Mannheim große Zukunftspläne.

Zunächst folgen aber schwere Zeiten: Die schlimme Wirtschaftskrise in Deutschland geht auch an der jungen Mannheimer Firma nicht vorüber. 1877 beschließt Carl Benz, sich dem Motorenbau zu widmen, und beginnt mit einem Zweitaktmotor. Am 1. Oktober gründet er mit zwei neuen Partnern die „Stammfirma“ Benz & Cie., Rheinische Gasmotorenfabrik in Mannheim. Die Geschäfte gehen gut, auch ein schnell laufender Viertaktmotor wird jetzt entwickelt, da die Patente für den Otto-Motor 1886 für nichtig erklärt worden sind.

Vor diesem erfolgreichen Hintergrund wendet Benz sich wieder seiner Vision zu, die ihn seit den 1860er-Jahren fasziniert: Der selbstfahrende Wagen. Für die Ingenieure des 19. Jahrhunderts war die die Idee, ein Fahrzeug mit einem Motor zu bewegen, eine völlig neue, anspruchsvolle Aufgabe. Alle erforderlichen Fahrzeugkomponenten mussten im Prinzip vom Motor bis zu Achstechnik und Steuerung neu gedacht und gebaut werden. Gleichzeitig durfte der pferdelose Wagen kein zu großes Gewicht haben.

1885 begann Benz mit dem Bau seines „Fahrzeugs mit Gasmotorenbetrieb“ und stellte dafür Ende des Jahres einen Patentantrag, der am 29. Januar 1886 bewilligt wurde. Die Patentschrift gehört heute zum UNESCO Weltdokumentenerbe, als Symbol der mobilen Gesellschaft.

Wie sah es aus, das erste Benzin-Auto der Welt? Ein neu entwickelter leichter, schnelllaufender Otto-Motor mit liegendem Zylinder und Schwungrad trieb den Dreiradwagen an. Erforderlich für den Betrieb des Motors waren ein Kraftstoff mit hoher Energiedichte, Leichtbenzin, für das Benz eigens einen Schwimmervergaser entwickelt hatte, und eine elektrische Summerzündung. Das Prototyp-Fahrzeug wog gerade einmal 265 kg. Im Zuge weiterer Verbesserungen entstanden in den zwei darauffolgenden Jahren ein zweites und ein drittes Modell.

Zunächst erntete der Erfinder viel Hohn und Spott mit seinem Gefährt – manche Menschen fürchteten sich sogar davor. Bertha Benz stand zu ihrem Mann und glaubte fest an den Erfolg. Es kam nun darauf an, den Motorwagen allseits bekannt zu machen. Deshalb plante Benz, seine Wagen auf Gewerbeausstellungen im In- und Ausland zu präsentieren. Kurz vor der Reise zur Münchner „Kraft- und Arbeitsmaschinenausstellung", am 5. August 1888, sollte jedoch ein ganz anderes Ereignis für die Bekanntheit des Benz-Motorwagens sorgen: Heimlich und zusammen mit ihren Söhnen Eugen und Richard bestieg Bertha Benz beherzt das Modell Nummer 3 des Patentmotorwagens, um damit von Mannheim nach Pforzheim zu fahren. Da sie den Weg dorthin nicht kannten, orientierten Mutter und Söhne sich an der Führung der Bahnlinie. In Wiesloch kauften sie beim Stadtapotheker Benzin, in Bruchsal wurde nochmals „getankt“ und an den ahnungslosen Vater ein Telegramm geschickt … Als die drei Fernfahrer glücklich in Pforzheim angekommen waren, war es bereits dunkel. Viele Menschen kamen neugierig herbei und begleiteten das Fahrzeug bis zum Leopoldplatz.

Bertha Benz‘ Pionierfahrt sollte als legendäre erste Fernfahrt mit einem Automobil in die Geschichte eingehen. Allen Spöttern und Zweiflern, ja der ganzen Welt hatte sie damit gezeigt, zu welchen Leistungen der Benz-Motorwagen in der Lage war und dass sie zu Recht stets an den Traum ihres Mannes geglaubt hatte.

Auf der Münchner "Kraft- und Arbeitsmaschinenausstellung" erhielt Carl Benz mit seinem Wagen die Goldmedaille für die herausragendste Innovation. 1889 präsentierte er auf der Pariser Weltausstellung seinen Patentwagen und kam damit in Frankreich ins Geschäft. Zunehmend stieg auch in Deutschland das Interesse an.

Das Automobilzeitalter hatte begonnen …

Zu sehen im Technik Museum Sinsheim:
Im Technik Museum Sinsheim ist ein originalgetreuer, voll funktionsfähiger Nachbau des berühmten Benz-Dreirads (Benz Motorwagen Nr. 1) von 1886 zu sehen.

Bertha Benz Fahrt 2024: Automobilhistorisches Highlight im Gedenken an Bertha Benz
In diesem Jahr organisiert der Allgemeine Schnauferl-Club wieder seine traditionsreiche Bertha Benz Fahrt für historische Fahrzeuge aller Fabrikate bis Baujahr 1930. Das Ereignis findet vom 25. bis 28. Juli statt. In zwei Tagesetappen fahren die Oldtimer-Fahrzeuge jeweils 100 km durch den Kraichgau. Täglicher Start- und Zielpunkt: der Hof des Technik Museum Sinsheim. Ein Oldtimer-Event der Extraklasse unter dem Motto „136 Jahre Frau am Steuer“.

Verfasserin: Museumsmitglied Heidi Debschütz  

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