Route 66, Ronald Reagan und Las Vegas - mit Indians durch die USA

Ende Oktober 2018 setzten sich mein Freund Michael und ich zusammen und planten unsere „Indian USA-Tour 2019“. Schließlich musste ein 40-tägiger Roadtrip gut geplant sein: es sollte eine Strecke sein, auf der es eine Menge zu sehen gibt. Wir legten Tagesziele fest - es sollten zwischen 200 und 250 km am Tag sein. Vom 20. Juni bis 30. Juli 2019 sollte die Route von Denver, Colorado, über Wyoming, Nebraska, South Dakota, Utah, Arizona und Nevada nach Los Angeles, Kalifornien gehen: ca. 8.500 km Fahrspaß lagen vor uns.

Nun ging es daran, das Ganze umzusetzen: Esta beantragen, Flüge buchen, Spedition beauftragen, Fahrzeuge versichern – und hier taten sich schon die ersten zwei Probleme auf: Die US-Versicherungen bearbeiten seit unserer neuen Datenschutz-Verordnung keine Anträge aus Deutschland. Es ist nicht möglich von Deutschland aus, eine Versicherung abzuschließen.

Der Transport (von Weingarten nach Bremen, dann rüber nach New York, von dort aus über Land weiter nach Denver, und dann von Los Angeles über Bremen zurück nach Weingarten) war schließlich auch nicht ohne. Nachdem wir eine Spedition gefunden haben, blieb noch ein kleines Problem: Wer nimmt die Bikes in Denver in Empfang, bis wir da sind? Ein Glück, dass Michael einen Indian Dealer, G-Force, in Denver kennt. Dieser war begeistert und bot uns an, die Bikes bis zu unserer Ankunft in seine Ausstellung zu integrieren.

Dann war es soweit: Am 20. Juni 2019 ging es los nach Denver. Dort angekommen, eilten wir ausgeruht zum Dealer, um unsere Indians in Empfang zu nehmen. In der Ausstellungshalle standen sie zwischen ihren Schwestern und strahlten. Wir schoben sie vor den Laden, starteten die Motoren und waren sofort umgeben von einer riesigen Nebelwand. Ich hatte im Kurbelgehäuse zu viel Öl und es qualmte fünf Minuten lang – das nenne ich einen gebührenden Start. Bei einem kleinen Versicherungsbüro um die Ecke bekamen wir die Versicherung für unsere Maschinen. Die roten Oldtimer-Kennzeichen, die wir fahren interessierten nicht, denn in USA läuft die Versicherung nur auf die Fahrgestellnummern.

Unsere Tour konnte endlich starten: Am Sonntag, den 23. Juni ging es auf der Route 36 über Boulder, Longmont nach Estes Park und schon waren wir in den Rocky Mountains. Am zweiten Tag fuhren wir von Estes Park nach Walden. Im Rocky Mountain National Park, als wir auf ca. 3.300 Meter waren, gab es eine Vollsperrung, da auf der Passhöhe ein Schneesturm tobte. Also alles wieder zurück und nach 200 km Umweg erreichen wir müde unser erstes Ziel - den Ort Walden. In den nächsten Tagen lief alles wie geschmiert: Von Walden über den 3.175 Meter hohen Cameron Pass, dann 80 km durch einen Canyon am Michigan River entlang nach Cheyenne in Wyoming; von dort auf der 85 über Torrington nach Lusk und durch den Black Hills National Forrest nach Custer - tolle Kurven, Sonne satt, ein perfekter Indianer-Tag eben. Als wir in South Dakota ankamen, hatten wir die ersten 1.150 km hinter uns. Die alten Bikes liefen wie ein Schweizer Uhrwerk.

Von Custer ging es dann über den Norbeck By Way zu den Präsidenten am Mount Rushmoor. In Deadwood hatten wir Jerry Greer, einem Old Indian Dealer, einen Besuch abgestattet, um dann unsere Fahrt in Richtung Sturgis, wo jedes Jahr im August das weltgrößte Bikertreffen stattfindet, fortzusetzen. Am nächsten Tag setzen wir unsere Tour auf der 385 über Hill City, vorbei am Crazy Horse Memorial nach Custer (den Custer National Park Wildlife Loop mussten wir auf jeden Fall mitnehmen) fort.

Am 8. Tag führte uns die Route gleich durch drei Staaten: South Dakota, Nebraska, und Wyoming. Am Abend setzte dann der erste Regen ein; es war quasi der erste Waschtag. Danach waren wir wieder gut aufgestellt. Die folgenden Tage verliefen wunderbar: Von Lusk nach Torrington und Laramie, danach über den Morton Pass und die Medicine Bow Mountains; über den 2.920 m hohen Muddy und den 3.140 m hohen Rabbit Ears Pass nach Steamboat Springs, dann die letzten 60 km für den Tag auf der 40 nach Craig. Von Craig nach Dinosaur und nach Mack, auf der 50, entlang des Colorado River, nach Fruita – so waren es dann insgesamt 2.600 km; den Bikes und uns ging es sehr gut.

Den 12. Fahrtag werden wir nicht so schnell vergessen, als wir bei über 30 Grad im Schatten in Utah ankamen. Wir waren unterwegs wie die alten Siedler, hatten kein Futter für die Pferde. Kein Wasser und ohne Toilette. Wir wollten heute zum Arches National Park nach Moab. Auf der Schnellstraße dann folgendes Schild: "68 Miles no Services". Ich war mir sicher, nach wenigen Meilen kommt, meinem Plan zufolge, der Ort Cisco. Doch dies war mittlerweile eine Geisterstadt mit dem Schild: "60 Miles no Services". Und wir hatten ein Problem: unsere Tanks waren fast leer.

Ungefähr eine Meile links von uns stand mitten in der Wüste ein Wohnmobil mit einem Bootsanhänger. Dort versuchten wir unser Glück: Der ältere Besitzer konnte uns zum Glück aushelfen. Dafür musste er sein Wohnmobil anzapfen. Er holte seinen Wasserschlauch, schnitt zwei Meter ab und rein in den Einfüllstutzen. Der Sprit floss. Im Nu waren 2 Gallonen abgefüllt und die Tanks wieder voll. Der alte Herr wollte kein Geld von uns haben. Statt Geld zu nehmen, ging er ins Wohnmobil und kam mit zwei Flaschen kaltem Wasser zurück, er meinte "Ihr seid in der Wüste und müsst viel trinken". Zum Abschluss äußerte er noch einen Wunsch: „Wenn Ihr das Euren Freunden erzählt, sagt ihnen, Ronald Reagan hat Euch geholfen, denn das ist mein Name!“ Weiter ging die Fahrt entlang eines Canyons des Colorado River nach Moab. Dort die erste Tankstelle aufgesucht und uns um 100 km verfahren, aber das Tagesziel hatten wir dann doch noch erreicht: Green River.

Die nächsten Tage führten uns in Richtung Arizona. Bei herrlichem Wetter ging es von Green River durch die San Rafael Wüste über den Capitol Reef National Park nach Torrey vorbei an einer wunderschönen Landschaft und Sonne satt. Von Torrey nach Bryce Canyon City, durch den Dixi National Forest und die Circle Cliffs – da legten wir eine 50 km lange Strecke zurück. Danach ging es wieder auf die Strecke durch den Red Canyon zum Zion National Park und weiter nach Hurricane. Von da aus nach Page bis wir schließlich die Grenze nach Arizona überfuhren.

In Arizona und nach 17 Tagen gönnten wir uns den ersten Ruhetag. Wir besichtigten den Antelope Canyon. Dieser ist an der Oberseite teilweise nur 50-100 cm breit, innen 20-25 m tief und ca 1-8 m breit. Durch den Lichteinfall entstanden wahnsinnige Farbenspiele – dieser Besuch war mit das Schönste an unserer Tour.

Am nächsten Tag ging es von Page immer auf der 89 durch Bitter Springs, The Gap, Cameron- nach Flagstaff bis wir sie endlich erreicht haben: die Mother Road 66! Selbstverständlich, dass wir hier einen weiteren Ruhetag einlegen mussten. Bei der Einfahrt in Flagstaff hatten wir bei „Mikes Bike“ angehalten, um unsere Maschinen durchzuchecken. Den ganzen Tag verbrachten wir mit der Instandsetzung der Indians: Ölwechsel, Abschmieren, Ketten spannen und Reinigung der Bikes.

Wir sind nun 19 Tage unterwegs und hatten gerade Halbzeit, auch von der Strecke waren bereits 4.000 km zurückgelegt – problemlos. Das Wetter: Immer noch Sonne. Auf unserer Fahrt von Flagstaff nach Williams besuchten wir den Harley Davidson Dealer von Flagstaff. Danach ging es von Williams auf der 66 in Richtung Ash Fork, Seligman, Hackberry nach Kingman. Dabei machten wir Halt an der alten Tankstelle in Hackberry. Dann machten wir uns auf in Richtung Sin City - Las Vegas. In Henderson mussten wir das erste Mal unsere Helme tragen, denn wir waren in Nevada. Hier legten wir erneut einen Ruhetag ein und statteten „Atomic Bike und Cars“ einen Besuch ab. Dort gibt es eine beachtliche Sammlung an alten Fahrzeugen. Danach stürzten wir uns in das Nachtleben von Las Vegas.

Am nächsten Tag ging es durch die Spring Mountains, nach Pahrump, durch die Wüste an unser Ziel: Death Valley Junction. Dort übernachteten wir in einem über 100 Jahre altem Motel, dem Armagossa Opera House. Wir mussten uns erholen, denn die Strecke am nächsten Tag hatte es in sich: Wir fuhren bereits um 6 Uhr morgens los, schließlich herrschen im Death Valley um die 42 Grad im Schatten; tiefster Punkt: 65 Meter unter dem Meeresspiegel. Nach dem Valley rechts von uns immer die schneebedeckten Berge der Sierra Nevada. Nachmittags erreichten wir unser Tagesziel Lone Pine. Dann fuhren wir an der Sierra Nevada entlang, durch Big Pine, Bishop ins Skigebiet Mammoth Lake. Von dort zum 3.300 m hohen Tioga Pass, den Eingang zum Yosemite National Park. Vorbei an Flüssen, Seen und bizarren Felsformationen, auf der 120 nach Oak Dale. Am Stadteingang in einer Wohnwagen-Werkstatt mussten wir Michaels Trittbrett schweißen. Dieses hatte sich durch zu starkes Abstützen durchvibriert.

Der nächste Tag führte uns von Oakdale auf den Highway 120, danach auf der Interstate 580 über Oakland nach San Francisco. Dort wurden wir von Kalle Hoffman, einem begeisterten Indianfahrer, und seiner Familie erwartet. Wir nutzen die Zeit für einen großen Stadtrundgang. Auf unserem Weg von San Francisco nach Kentfield schauten wir bei Kalles Freunden Dominic und Denice Magri vorbei. Dominic präsentierte uns seine Motorradsammlung mit einer original Vindian, einigen Indians, eine Menge Vincents und viele andere Motorräder der 40er bis Ende der 60er Jahre. In Kentfield, unserem Ziel am 29. Tag, hielten wir bei alten Freunden von Michael, Brooky und Jörg - sie hatten uns für zwei Tage eingeladen. Hier nutzten wir ihr Angebot einer kleinen Rundfahrt durch das Muir Woods National Monument.

Am 31. Tag ging es von Kentfield nach Monterey: Auf der 101 über die Golden Gate Bridge zurück nach San Francisco, dort auf die Route Number One, durch die Orte Pacifica, Half Moon Bay, Santa Cruz zum Tagesziel Monterey. Von Monterey nach Morro Bay. Auf dem Highway 1 durch Big Sure, San Martin, San Simeon - immer am Pazifik entlang bis nach Santa Barbara. Eine wirklich schöne Strecke. Wetter: Wie gewohnt sonnig und trocken. Nach einer Übernachtung in einem Vintage Hotel fuhren wir von Santa Barbara nach Riverside. Am nächsten Tag lag eine gewaltige Strecke vor uns: Gleich morgens fuhren wir auf die 101, dann auf die 210 oberhalb von Los Angeles, auf die 71 und die 60 nach Riverside zum Motel.

In Los Angeles angekommen, hatten wir einen Termin bei Kiwi Parts – ein reines Paradies für Männer: Dort gab es Indians in allen Ausführungen, ein riesiges Ersatzteilelager samt großer Werkstatt. Kiwi ist in der Lage Indians aus vielen Baujahren nachzubauen. Am Nachmittag machten wir uns auf den Weg nach Los Angeles, wo wir unser letztes Motel gebucht hatten. Davor stand aber noch ein Besuch der Garage Company von Yoshi Kosaka an: Motorräder der letzten 80 Jahre.

Nun traf der letzte Tag unserer USA-Tour ein. Nach 36 Tagen Fahrspaß durch die Staaten stand der Rücktransport nach Deutschland an. Am nächsten Tag ging unser Flug in Richtung Heimat. Am Ende sind wir 8.500 km gefahren ohne Pannen (außer dem losen Trittbrett). Währenddessen lernten wir eine Menge netter und hilfsbereiter Menschen kennen. Es war alles in allem eine tolle Indian USA-Tour 2019.

Grüße von den Indianern Michael und Wolfgang

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