Eine Zementbahn ist ein Oval für Fahrrad- und Radrennen mit Steher-Motorrädern. Es wurde auf diesen Zementbahnen auch Motorradrennen veranstaltet.
Wir waren in Nürnberg auf der Rennbahn „Reichelsdorfer Keller“ mit einer 1000er Mars von 1923. Damals waren die Motorräder der Nürnberger Marswerke das Maß aller Dinge. Werksfahrer Heinz Wilhelm war 1921 Erster in der bayrischen Meisterschaft, Werksfahrer Ernst Schütz war Zweiter. Außerdem wurde mit den Maschinen auch 1923 Rennen gefahren. Die weiße Mars ist eines der berühmtesten deutschen Motorräder. Interessant ist, dass die Maschine einen Einbaumotor hat von den Maybach-Werken und Maybach wohl auch bei der Kraftübertragung mitkonstruiert hat. Die Maybach-Autos sind so gebaut, dass man nicht ein herkömmliches Getriebe schalten muss, sondern ganz komfortabel mit Vorwählgetriebe fahren konnte. Dafür waren die Maybach-Automobile berühmt. Die Mars hat deshalb ein System mit zwei Antriebsketten. Man weitet in einer Bremstrommel für die rechte Kette die Kraftübertragung für den ersten Gang, dann wird die zweite Bremstrommel gespannt, die Kette rechts aktiviert und die Kette links entlastet, dann ist man im zweiten Gang. Im Getriebe ist eine Bandbremse montiert, so dass man an den Radnarben des Fahrzeuges nirgends eine Bremse sehen kann.
Es gibt eine ganz kleine Szene von Motorradfahrern, viele davon mit amerikanischen Motorrädern, die ebenfalls in geschlossenen, sogenannten „Board Tracks“ in Amerika gefahren sind. Freunde dieser Maschinen versuchen ständig auf Zementbahnen eine Fahrerlaubnis zu bekommen.
Unser Mitglied Udo Dobrzansky hat mich darauf aufmerksam gemacht, dass man das allerletzte Mal auf die Zement-Fahrradbahn „Reichelsdorfer Keller“ in Nürnberg kann. Diese historische Bahn ist in Investorenhand und wird bald abgerissen, um Platz zu machen für den Wohnungsbau. Es war also das letzte Mal, dass man mit der Mars Rennmaschine auf dieser Strecke fahren konnte, wo das Modell so große Erfolge hatte. Die Rennmaschine war mehr oder weniger ein abgestripptes Serienmodell – das Motorrad in seiner Urform und ohne jegliches Schnickschnack. Märse sieht man selten. Im Museum stehen zwei Straßenmodelle sowie ein Gespann.
Mike Kron, der berühmte Motorradrestaurator aus Klepsau an der Jagst, hat diese Rennmaschine aufgebaut. Die Restaurierung konnte in der Nacht vor der Abfahrt nach Nürnberg fertig gemacht werden und so waren Mike und ich freudig und stolz, die 1000er Mars dort präsentieren zu können.
Das letzte Rennen auf der Zementbahn „Reichelsdorfer Keller“ in Nürnberg wurde von Board Track begleitet, dabei entstand dieses tolle Video:
Die Veranstaltung war ganz hervorragend organisiert unter der Federführung von unserem Freund Thomas Bund. Er hatte eine Excelsior 1000 ccm dabei, sowie eine ultraseltene 4 Zyl. Cleveland. Schwere Harleys und große Indians dominierten das Fahrerfeld, es gab aber auch NSU, Rudge und Vincents. Die Veranstaltung war locker ausgerichtet. Es war ein Streckenposten da, der die Einfahrt auf die Bahn geregelt hat sowie, wenn man etwas langsamer war, den Überholenden mit der Hand angezeigt hat. Für mich und auch für Mike Kron war es das erste Mal mit diesem Motorrad in einer überhöhten Kurve. Das Fahrgefühl ist sehr speziell. Die Zentrifugalkraft wirkt und man sieht nur noch den Zement vor sich. Es braucht schon ein großes Herz, um dort richtig schnell fahren zu können. Die anderen Cracks waren ja gut trainiert und waren auf anderen Bahnen schon unterwegs. Udo Dobrzansky hatte seine Indian Chout, dies ist eine Indian Scout mit dem großen 1200er Chief Motor, dabei. Das Motorrad war „krawetzig“, ziemlich brachial, und ist gegangen wie verbrannt. Udo ist toll gefahren und hat dort als schnellster Mann seine Duftmarke gesetzt.
Leider ist bei einer Restaurierung es immer so, dass nach Fertigstellung die dritte Phase der Restaurierung stattfindet. D.h. durch den Fahrbetrieb werden dann die ganzen Details optimiert und fertig ist so ein Fahrzeug erst nach Monaten im Fahrbetrieb, bis alle Kinderkrankheiten ausgemerzt sind. In unserem Fall war es, dass der stark vernickelte Schalthebel, den man am Knopf durch drehen feststellen kann, nicht richtig eingerastet werden konnte, dadurch verloren wir immer wieder Vortrieb. Wir hoffen bis zum nächsten Mal auf einer anderen Zementbahn die Mars auf Zack zu haben. Für uns war es sehr spannend und eine große Sache, dass die weiße Mars Rennmaschine wieder an alter Wirkungsstätte war und dort gesprochen hat, so dass der „Reichelsdorfer Keller“ zum Abschied im Banne der Motoren stand.
Wenn man im Oval steht und es fahren 5 – 6 großvolumige Maschinen über den Kurs, so gibt dies durch die überhöhten Kurven (man sagt auch „Nudeltopf“ zu so einer Bahn) ein unglaublich intensives Geräusch. Wir waren alle von der Veranstaltung sehr beeindruckt. Ein großer Dank geht an die Organisatoren.
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