Vom Dune Krater nach Speyer: Die Mondstein-Story

Vor 50 Jahren – genau am 1. August 1971 – wurde der 3,34 Milliarden Jahre alte Mondstein mit der Nummer 15499,67 bei der Apollo 15 Mission von einem Felsen am Dune Krater abgeschlagen, nach seiner Ankunft auf der Erde verwahrte man ihn 42 Jahre im NASA Lunar Receiving Laboratory (LRL) im Johnson Space Center in Houston, Texas. Heute fasziniert er – perfekt beleuchtet und umgeben von Stickstoff und Sicherheitsglas – in Europas größter Ausstellung zur bemannten Raumfahrt „Apollo and Beyond“ die Besucher. Dass der kostbare Basaltstein von unserem Erdtrabanten als Dauerleihgabe der NASA an seinen heutigen Platz gekommen ist, ist Gerhard Daum, Direktor und Kurator von „Apollo and Beyond“, zu verdanken.  Im folgenden Interview erzählt Herr Daum uns die „Mondstein-Story“ …

Herr Daum, wann und wie genau ist der Mondstein Nummer 15499,67 überhaupt vom Mond auf die Erde gekommen?
Der Stein kam in Rahmen der Apollo 15 Mission auf die Erde. Am 1. August 1971, dem zweiten Tag, den die Astronauten David Scott und James Irwin auf dem Mond verbrachten, fuhren diese mit dem LRV (Lunar Roving Vehicle) auf Entdeckungstour. Bei dieser zweiten Exkursion (EVA – Extra Vehicular Activity) war die Station 4 der Dune Krater. Hier entdeckte David Scott einen Basaltfelsen und schlug den Stein von diesem ab. Zusammen mit allen anderen Gesteins- und Bodenproben der Apollo 15 Mission reiste der Stein dann zur Erde. 42 Jahre verbrachte er dann im Lunar Receiving Laboratory im Lyndon B. Johnson Space Center (JSC) der NASA in Houston.

… um dann als Dauerleihgabe in die Raumfahrtausstellung „Apollo and Beyond“ im Technik Museum Speyer zu kommen. Wie haben Sie das geschafft?
Im Mai 2011 hielt ich mich – als Journalist sowie Direktor und Kurator der Raumfahrtausstellung „Apollo and Beyond“ – im Rahmen der Space Shuttle Mission STS-134 in den USA auf. Meine erste Station war zunächst das John F. Kennedy Space Center (KSC) in Florida, wo ich beim Start der „Endeavour“ dabei war. Danach flog ich weiter nach Houston, um im JSC an den dazugehörigen Briefings und Pressekonferenzen teilzunehmen. Nach einer Pressekonferenz traf ich dort zufällig wieder auf Louis Parker. Er ist im NASA Public Affairs Office für die Travelling Exhibits, also Leihgaben von Apollo-Mondgestein und anderen Exponaten für Ausstellungszwecke, zuständig und wir kannten uns bereits.

Eine kurze Zwischenfrage: Woher kannten Sie Louis Parker?
Ich bin als Raumfahrtexperte seit vielen Jahren journalistisch tätig und war bei insgesamt 55 Space Shuttle Missionen beim Start und während der jeweiligen Mission vor Ort im KSC und JSC dabei. Neben einem enormen Fundus an Fachwissen rund um die Raumfahrt habe ich in dieser langen Zeit auch eine Vielzahl an Kontakten mit NASA-Mitarbeitern und Astronauten aufgebaut, zum Teil sind auch wunderbare Freundschaften entstanden. Louis Parker kannte ich schon seit den 1990er-Jahren.  Ich freute mich über das Wiedersehen und wir kamen ins Gespräch. Als ich ihm von meiner Ausstellung „Apollo and Beyond“ im Technik Museum Speyer erzählte, hörte er mir aufmerksam zu und sagte dann: „Gerhard, du brauchst einen Apollo-Mondstein als Dauerleihgabe“. Kurz darauf schickte er mir eine E-Mail mit den 40 Guidelines, die man für so eine Dauerleihgabe erfüllen muss.

Waren das schwere Bedingungen?
Die Guidelines waren sehr anspruchsvoll, aber das Technik Museum Speyer hatte auch entsprechend viel zu bieten. Eine jährliche Besucherzahl von über 800.000, gute Sicherheitsbedingungen, das alles mitten in Europa … Mit meiner Raumfahrtausstellung „Apollo and Beyond“ war der geforderte fachliche Bezug selbstverständlich auch gegeben – erst recht, weil ich damals schon den neuen Ausstellungsbereich „Der Mond“ in Planung hatte, der eine simulierte Mondlandschaft mit Mondfähre, Lunar Rover und Spacesuits zeigen sollte.

Wie ging es dann weiter?
Ich habe alle Unterlagen persönlich im März 2012 bei der NASA in Houston eingereicht. Zwei Monate später bekam ich Besuch von Carlton C. Allen, Astromaterials Curator im JSC in Houston. Er verschaffte sich im Museum persönlich einen Eindruck von „Apollo and Beyond“ und dem neu entstehenden Ausstellungsbereich „Der Mond“ und schien recht angetan zu sein. Die Spannung stieg von Tag zu Tag …

… aber dann kam sie doch, die gute Nachricht?
Ja, Ende August 2012 kam die E-Mail aus dem JSC. „Congratulations!“, hieß es, und dass wir nun „approved“ seien, einen Mondstein von der Apollo 15 Mission als Dauerleihgabe zu erhalten – welchen, das würde noch entschieden werden. Es wurde dann der Stein mit der Nummer 15499,67. Die Freude war riesig. Ganz besonders habe ich mich aber darüber gefreut: Ein Mensch mit Emotionen hat diesen 3,34 Milliarden Jahre alten Stein abgeschlagen – von einem Felsen, den man auch jetzt noch genau auf dem Mond sehen kann ...

Nun musste das kostbare Exponat ja noch über den Atlantik kommen. Wie transportiert man einen Mondstein von Houston nach Speyer?
Auch das war meine persönliche Mission. Ich bin nach Houston gereist und habe den Stein am 6. Mai 2013 im Lunar Receiving Laboratory von Carlton C. Allen in einem Glasbehälter überreicht bekommen. Innerhalb des Glasbehälters ist der Stein umhüllt von Stickstoff, zu keinem Zeitpunkt ist er seit seiner Ankunft auf der Erde mit Sauerstoff in Berührung gekommen.  Der Transport nach Deutschland musste dann als Handgepäck in einem 30 cm breiten Kunststoffköfferchen erfolgen.

Ein Mondstein im Handgepäck – was sagt man da den Sicherheitskräften am Flughafen?
Generell darf man einen „Lunar Rock“ nicht so ohne Weiteres von A nach B bringen. Ich erhielt damals von der NASA ein Dokument für die Sicherheitsbehörden, für die Airline und für den Zoll, das mich als berechtigt auswies, den Mondstein mit mir zu führen. Umgekehrt war ich verpflichtet, den Mondstein stets bei mir zu behalten. Bei der Gepäckkontrolle durfte das Köfferchen nicht durch den Scanner transportiert werden. Als ich es für die Sicherheitsbeamtinnen öffnete, waren diese begeistert. Eine von ihnen sagte: „So nah komme ich nie wieder an einen Mondstein.“ Sie hatte die Apollo-Missionen damals miterlebt.

Was ging in Ihnen vor, als Sie mit dem Mondstein-Koffer im Flieger nach Deutschland saßen?
Es war ein nahezu surreales Gefühl. Als kleiner Junge habe ich sämtliche Raumfahrtmissionen, vor allem Apollo, immer voller Neugier und Leidenschaft verfolgt. Und jetzt, viele Jahre später, durfte ich mit einem Apollo-Mondstein von der NASA im Handgepäck von Houston nach Frankfurt reisen … Ich war beeindruckt und dankbar, zu welch fantastischen Wegen es im Leben kommen kann – und wie viel man erreichen kann, wenn man stets mit Leidenschaft agiert.

Für das Technik Museum Speyer war die Ankunft des Mondsteins ein großer Tag.
Ja, das war es. Am 2. Juni 2013 wurde der Mondstein Nummer 15499,67 in der Ausstellung „Apollo and Beyond“ willkommen geheißen. Für die Willkommenszeremonie war eigens ein „Moonwalker“ angereist: Eugene Cernan, Kommandant der Apollo 17 Mission und der elfte Mensch, der den Mond betreten hat, hat den Mondstein von mir in Empfang genommen und dann weiter an Hermann Layher, unseren Museumspräsidenten, übergeben. Gleichzeitig haben wir die Einweihung des neuen Ausstellungsbereiches „Der Mond“ gefeiert, der im Museum in der Zwischenzeit aufgebaut worden war.

… und in den der Mondstein somit bestens gepasst hat.
Ja. Wir haben eine Mondlandschaft simuliert, auf der ein Nachbau der Apollo 11 Mondfähre sowie eine Replik des „Lunar Roving Vehicle“, das bei der Apollo 15 Mission erstmals zum Einsatz kam, stehen, außerdem gibt es noch zwei Repliken von den Apollo 17 Spacesuits von Eugene Cernan und Harrison Schmitt zu besichtigen. Doch damit nicht genug: Hinter der Mondlandschaft schweift der Blick – quasi als optische Fortsetzung – über eine riesige, kunstvoll aus 12 Bildern montierte, 30 m breite und 18 m hohe Fotowand, auf der die Hadley-Apenninen und der Dune Krater abgebildet sind, samt dem Felsen, von dem der Basaltstein von David Scott damals am 1. August 1971 abgeschlagen wurde.

Und wo genau wurde in diesem Ensemble der Mondstein platziert?
Der Mondstein befindet sich jetzt in einer Vitrine an der Spitze des Mondlandschaft-Areals, sodass der Besucher vor ihm stehend einen Gesamtblick auf den Stein, die Mondlandschaft und die Fotowand hat.

Ein Highlight in Europas größter Ausstellung zur bemannten Raumfahrt.
Der Stein wurde vor 50 Jahren vom Mond geholt und erzählt jetzt den Besuchern seine lange, 3,34 Milliarden alte Geschichte.

Herr Daum, herzlichen Dank für das Gespräch.
Bildquelle: Gerhard Daum

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