Sie sind für uns Rund um die Uhr im Einsatz. Trotzen Sturm und Regen, um in Seenot geratene Menschen in der Nord- und Ostsee zu retten. Sie „fahren raus, wenn andere reinkommen“ (www.seenotretter.de): Die Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger. Bereits 1865 gegründet, verzeichnet die DGzRS bis heute rund 85.000 Gerettete.
Am 28. Juli jährt sich der „Tag der Seenotretter“ bereits zum 21. Mal – ein guter Grund, mit einem echten Seenotretter zu plaudern. Getroffen haben wir den Maschinisten Michael Moritz in Speyer beim Technik-Festival BRAZZELTAG! Jedes Jahr am zweiten Mai-Wochenende verwandelt sich der Museumsplatz in einen Spielplatz für Benzinköpfe. Vom kleinen motorisierten Dreirad bis hin zur Jet-Dragster Show, hier geht jedem sein Technikfan-Herz auf. Und mitten drin der imposante Seenotkreuzer John T. Essberger. Mit seinem ohrenbetäubenden Signalhorn erklärt er jeden Morgen um 10 Uhr den BRAZZELTAG für eröffnet. Dabei bieten neun, zum Teil noch aktive, Seenotretter kostenlose Führungen auf dem seit 2011 zur Ruhe gesetzten Schiff in Speyer an. Wir trafen den Seenotretter im Maschinenraum und konnten ihm das ein oder andere über die Seenotrettung entlocken. Als Hesse hat er sich wohl die Wortkargheit der Nordländer angeeignet. Man bedenke, dass bei den Norddeutschen oftmals ein „Jo“ als ein vollständiger Satz gilt. So kurz und knapp fielen auch seine Antworten aus. Denn die Seenotretter „…machen nicht viele Worte. Umso mehr lohnt es sich, ihnen zuzuhören.“ (www.seenotretter.de) Lässig an die Werkbank gelehnt, klärte er uns über seinen Dienstgrad auf. Als erster Maschinist ist er bei Großenbrode, der letzten Ortschaft vor der Fehrmarnsundbrücke, im Einsatz.
Museum: Moin! Das Schiff scheint Dir bekannt zu sein.
Michael Moritz: Jo. Ich war selbst einige Jahre auf der Essberger stationiert.
Museum: Hast Du auf die Schnelle ein paar technische Details für uns?
MM: Drei Hauptantriebsmaschinen, zusammen 7,5 Tausend PS, 21 Zylinder Maybach-Motor, zwei 12-Zylinder MTU-Motoren, 44 Meter lang, Endgeschwindigkeit ca. 30 Knoten.
Museum: Was ist das Besondere an diesem Schiff?
MM: Unsere Schiffe sind alle aus Aluminium gebaut und sind durchkentersicher. „Durchkentersicher“ heißt, es dreht sich einmal um die Längsachse; heißt alle Öffnungen sind wieder oben und es ist unsere Versicherung. Weil … wenn alle Öffnungen wieder oben sind, und er sich in schwerer See wieder drehen würde, kommen wir wieder raus. Bei einem normalen Stahlschiff, wenn es kentert, ist das Kiel oben und es kommt kein Mensch mehr raus. Viele Rettungsschiffe anderer Gesellschaften sind so gebaut.
Museum: Welcher Einsatz ist Dir besonders in Erinnerung geblieben?
MM: Einmal der Brand der „Pallas“ vor Helgoland und einmal der Fischkutter „Hoheweg“, der zwischen Bremerhaven und Cuxhaven gekentert ist. Diese Einsätze waren anstrengend … mehrere Tage lang … mit einigen Toten.
Museum: Wie läuft so ein Einsatztag ab?
MM: Wir machen 14 Tage Dienst an Bord und dann haben wir 14 Tage frei. In der Einsatzzeit haben wir tagsüber ganz normalen Tagesdienst und eigentlich die ganzen 24 Stunden des Tages haben wir Bereitschaft … und den dann 14 Tage lang.
Museum: War „Seenotretter“ schon immer Dein Berufswunsch?
MM: Nein. Mein Grundberuf ist Elektroinstallateur. Durch die Marine konnte ich ein Elektriker- und Maschinistenpatent beantragen und kam so zur Gesellschaft. Man braucht ein Patent, um auf Schiffen zu fahren. Ausnahmslos jeder.
Museum: Wie ist das Leben an Bord eines Seenotkreuzers?
MM: Auf diesem Kreuzer haben sechs Mann Schicht pro Wache gehabt, der jetzige (aktuelle) Kreuzer vier Mann pro Schicht. Und du bist eigentlich in einer WG – in einer Männer-WG. 14 Tage lang und die anderen 14 Tage bist du Zuhause.
Museum: Muss man besondere Charaktereigenschaften haben, um den Job als Seenotretter machen zu können?
MM: Man darf definitiv kein Held sein. Oder den Helden spielen. Weil wir nur im Team stark sind.
Museum: Und wenn doch einer kommt?
MM: Das merkt man gleich am Anfang. Diesen Leuten muss man eben sofort zeigen, dass es nur im Team funktioniert. Und sie merken das dann auch sofort … Keine Selbstprofilierung.
Museum: Wen rettet man aus der Seenot am häufigsten?
MM: Gemietete Segelboote … Diese fahren raus auf die See, ohne zu wissen, was auf sie zukommt, was bei stürmischer See zu beachten ist.
Museum: Ein abschließender Gedanke?
MM: Die Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger finanziert sich ausschließlich aus Spendengeldern. Wir beziehen keine öffentlichen Mittel. Ausschließlich aus Spenden und Nachlässen.
Museum: Woher kommen die überwiegenden Spenden? Wie ist da die Haltung: Jawohl - bin ich dabei – oder: berührt mich nicht - ist eh zu weit weg?
MM: Der Großteil ist natürlich in Norddeutschland. Wir haben aber auch viele Spender im Binnenland und auch im Ausland.
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